Razzien in Braunschweig und Berlin
Niedersachsen verbietet Moscheeverein: Das steckt hinter dem Hotspot der Salafisten-Influencer
Polizeibeamte stehen vor einem der durchsuchten Objekte in Braunschweig. Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Mittwochmorgen Räume der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft (DMG) in Braunschweig und weitere Objekte in Berlin durchsucht.
Quelle: dpa
Ein verbotener Moscheeverein, Razzien in Braunschweig und Berlin: Das niedersächsische Innenministerium ist am Mittwoch gegen einen Hotspot der deutschen Salafistenszene vorgegangen. Die DMG Braunschweig bot islamistischen Influencern eine große Bühne im Internet.
Berlin. Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hat den salafistischen Moscheeverein Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft (DMG) in Braunschweig verboten. Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten am Mittwochmorgen Räume des Vereins in Braunschweig und weitere Objekte in Gifhorn und Berlin.
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Das Vereinsverbot und die Razzien dürften weit über Braunschweig hinaus Auswirkungen auf die salafistische Szene in Deutschland haben. Die Moschee der DMG in der niedersächsischen Stadt war nicht nur Jahre lang ein bundesweiter Treffpunkt salafistischer Prediger. Mit Kanälen in verschiedenen sozialen Medien sorgt die DMG auch für eine überregionale Verbreitung islamistischer Inhalte im Internet.
Ein Knotenpunkt der salafistischen Influencer
Etwa 90 Videos veröffentlichte die DMG in den vergangenen vier Wochen allein auf ihrem Youtube-Kanal mit aktuell mehr als 83.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Auch auf Tiktok ist der Verein aktiv, hat dort mehr als 35.000 Follower. Hinzu kommen Kanäle auf Instagram und Telegram und ein bis 2022 regelmäßig betriebener Podcast auf der Musikplattform Spotify.
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Bekanntheit erlangte der Social-Media-affine Moscheeverein vor allem durch seine Prediger: Einige der wichtigsten und bekanntesten salafistischen Prediger und Social-Media-Influencer traten in Braunschweig auf, machten Livestreams und drehten in den Räumen der Moschee ihre Onlinevideos.
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Quelle: dpa
Diese Prediger traten in Braunschweig auf
Darunter etwa Abul Baraa. Der im Libanon aufgewachsene Palästinenser war bis 2020 Imam der Berliner as-Sahaba-Moschee – ebenfalls ein salafistischer Treffpunkt. Über die Moschee habe Abul Baraa „Verbindungen zu Szenegrößen und teilweise in den gewaltbereiten jihadistischen Salafismus“ unterhalten, schrieb der baden-württembergische Verfassungsschutz 2022 über den Prediger. Die Moschee war 2010 von Reda Seyam gegründet worden, der drei Jahre später nach Syrien zum „Islamischen Staat“ ging. Dort wurde er zu einem der ranghöchsten Deutschen innerhalb der Terrormiliz. Seit der Schließung der as-Sahaba-Moschee predigt Abul Baraa vor allem zu Zehntausenden Followern in den sozialen Medien – häufig auch aus der DMG-Moschee in Braunschweig.
Ebenfalls regelmäßiger Gast in Braunschweig war Ibrahim El-Azzazi. Der deutsche Mittzwanziger mit ägyptischen Wurzeln fällt in der Öffentlichkeit durch sein langes Gewand, die um den Kopf gewickelte Kufiya und seinen langen Bart auf. „Sheikh Ibrahim“, wie er sich nennt, ist in den vergangenen Jahren zu einer Art Tiktok-Star geworden. Dort und auf Youtube beantwortet er regelmäßig Fragen junger Zuschauer zur islamischen Lebensweise – etwa welche Sexualpraktiken im Islam erlaubt und welche Verboten sind.
Auch Pierre Vogel, der wohl bekannteste Influencer der deutschen Salafistenszene trat regelmäßig in Braunschweig und auf den Online-Kanälen der DMG auf.
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Die DMG sei damit einer „der zentralen Knotenpunkte in der Vernetzung der deutschsprachigen salafistischen Szene“ gewesen, teilte das niedersächsische Innenministerium am Mittwoch mit.
Das Vereinsverbot sei ein „harter Schlag gegen die salafistische Szene in Niedersachsen und darüber hinaus“, sagte Innenministerin Behrens laut der Mitteilung. „Mit den Verbotsmaßnahmen nehmen wir den deutschsprachigen salafistischen Predigern ihre wichtigsten Plattformen zur Verbreitung ihrer extremistischen Ideologie und schwächen die Szene damit empfindlich.“
Die Auswirkungen des Verbots wurden am Mittwoch auch im Internet sichtbar: Am Mittwochnachmittag war die Website der DMG nicht mehr erreichbar. Auch der TikTok-Kanal des Vereins war nicht mehr abrufbar. Die Kanäle auf Instagram und Youtube waren hingegen zunächst noch online. Auf dem Youtube-Kanal veröffentlichte die DMG noch einige Stunden nach den Hausdurchsuchungen ein Video, in dem der Prediger Abu Rumaisa erklärt, warum das Schachspielen im Islam verboten sei.
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Wie das Verbot begründet wird
Geführt wird der Verein laut einem aktuellen Auszug aus dem Vereinsregister des Amtsgerichts Braunschweig von dem Betreiber eines Nachhilfeunternehmens aus der Region und einem Braunschweiger Diplom-Übersetzer für deutsch und arabisch.
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Die DMG erklärt auf Ihrer Website, sie distanziere sich von jeglicher Gewalt und von Personen und Organisationen, die zu Gewalt aufrufen. „Genauso bestätigen wir, dass wir weder zu Terror, Anschlägen, Hass, Gewalt, Verbrechen, Missetaten et cetera aufrufen und noch, dass wir so etwas als den Islam ansehen“, heißt es dort. Die DMG halte sich an die Gesetze des deutschen Staates.
Im niedersächsischen Innenministerium wird das anders eingeschätzt. Die DMG fördere in „aggressiv kämpferischer Weise die Bildung von Parallelgesellschaften, die Ungleichbehandlung von Frauen, den Gedanken der Höherwertigkeit der Scharia und der Überlegenheit von Muslimen, die Intoleranz gegenüber anderen Religionen sowie Antisemitismus und Israelfeindlichkeit“, teilte das Ministerium mit. Die DMG bereite den Nährboden für eine weitere Radikalisierung und verfassungsfeindliche Einstellung ihrer Anhängerschaft und ebne den Weg für jihadistische Positionen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser begrüßte das Vereinsverbot am Mittwoch. Die Maßnahmen seien eng zwischen Niedersachsen und dem Bund abgestimmt gewesen. „Wir dulden keine Gruppierungen, die junge Menschen radikalisieren und neue Islamisten heranziehen“, sagte Faeser laut einer Mitteilung ihres Ministeriums. „Wir dulden nicht, dass salafistische Prediger Hass gegen Jüdinnen und Juden, gegen Frauen und gegen unsere freiheitliche Lebensweise verbreiten. Die salafistische Szene bildet weiterhin den ideologischen Unterbau für den Jihadismus.“