Elektro-SUV XPeng G6: Ein vielversprechender Außenseiter? (2024)

Eine neue Automarke in Europa platzieren: Das ist ein kolossales Unterfangen, bei dem gute Qualität, gepaart mit niedrigen Preisen, ein absolutes Muss ist. Erfüllt XPengs drittes Modell, das Elektro-SUV G6, diese Ansprüche?

  • G6: Geräumiges E-SUV der Mittelklasse

  • 800-Volt-Technik: Laden, so schnell wie selten

  • Klassisches Händlernetz soll Vertrauen schaffen

Am Anfang war die Software: 2014 schlossen sich im chinesischen Guangzhou unter anderem Lei Jun, der Gründer des Software-Unternehmens Xiaomi, und He Xiapoeng zusammen, der durch den Verkauf seiner Internetfirma UCWeb an den Tech-Giganten Alibaba zum Milliardär geworden war. Xiapoeng verlieh XPeng nicht nur seinen Namen, sondern steht dem E-Autobauer heute noch als CEO vor.

Das Unternehmen steht damit sinnbildlich für einen industrieweiten Wandel: Software soll das neue Herzstück von Autos sein, Fahrzeugtechnik ist in diesem Denken eher zweitrangig. Der G6 ist das aktuellste Objekt, an dem man diesen Ansatz begutachten kann. Nach dem souveränen Start des Riesen-SUV G9 und der Limousine P7 hat es eine verantwortungsvolle Aufgabe: Kundinnen und Kunden im an Autoherstellern nicht gerade armen Europa von sich und der neuen Marke zu überzeugen. Kann das gelingen?

XPeng G6: Premium-Anspruch erfüllt?
Ladetechnik vom Feinsten
Überraschend geräumiges Coupé
Fahreindruck: Souverän, ohne zu brillieren
Assistenzsysteme für volle fünf Sterne
XPeng G6: Unschlagbarer Preis

XPeng G6: Premium-Anspruch erfüllt?

Das Auftreten von XPeng ist durchaus selbstbewusst. Ähnlich wie Nio will die neue Marke sich eher bei der anspruchsvollen, Tech-interessierten Kundschaft versuchen. Der Einstieg soll dabei, anders als bei Smart, GWM, MG oder BYD, nicht über günstige Alltagstauglichkeit, sondern mit einem forsch formulierten Premium-Anspruch glücken.

Das merkt man vor allem im Innenraum. Hier muss sich XPeng nicht vor dem Oberklasse-Flair eines Nio verstecken, die Verarbeitung ist tadellos gelungen. Nur bei den unteren Türfächern greift man an Hartplastik, ansonsten nur an hochwertige Lederimitate und Stoffe, die robust, aber gleichzeitig angenehm wirken.

Die Türen entriegeln sich per Knopfdruck, das Panoramadach sorgt für angenehmen Lichteinfall, die Sitze lassen sich elektrisch verstellen und sogar ganz in die Horizontale bringen, das Lenkrad kann man erwärmen. Das wäre normalerweise nicht wirklich der Rede wert, wäre da nicht ein erstaunliches Detail: All das gibt es in Serie. Wo europäische Hersteller eine lange Liste an kostenpflichtigen Extras parat hätten, ist bei XPeng alles inklusive.

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Beeindruckend ist das vor allem angesichts der Soundanlage, denn die ist phänomenal. Selbst bei sehr lauter Musik sind die Töne noch klar, durch die Panoramasound-Einstellung wirkt das Klangerlebnis multidimensionaler als in vielen anderen Autos. Der G6 kann es qualitativ problemlos mit der hochpreisigen Konkurrenz wie BMW aufnehmen.

Allerdings muss man in Kauf nehmen, dass der Innenraum optisch ziemlich ausdruckslos geraten ist. Das unvermeidliche zentrale Touchdisplay (15 Zoll) thront in der Mitte – allgemein ist die Bedienung nahezu so konsequent auf Touch ausgerichtet wie bei Nio und Tesla. Zumindest sind die Menüs leicht verständlich gelöst. Wer das Gebläse gern mit einem Knopf zuschalten oder händisch verstellen will, greift aber ins Leere. Mit mehr als zweckmäßigem Minimalismus kann der G6 leider nicht aufwarten.

Ladetechnik vom Feinsten

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Zwei Batterien hat XPeng für den G6 im Angebot: 66 kWh bietet die Standardversion, sie soll Strom für 435 Kilometer (WLTP) bereit halten. Wer sich für "Long Range" entscheidet, bekommt einen 87,5-kWh-Akku, der für 570 Kilometer (WLTP) genügt. Der Verbrauch soll bei 17,5 kWh/100 km liegen, was nach der Testfahrt auch durchaus realistisch erscheint.

Für E-Fahrzeuge dieser Klasse sind diese Werte inzwischen Standard. Einen echten Unterschied bietet da schon die Ladeleistung, für die XPeng sich mit 800-Volt-Technologie reichlich gestreckt hat. Nur wenige E-Auto-Bauer bieten diese Technik an, unter anderem Hyundai, Kia, Audi, Porsche und BYD. Sie soll dem G6 ermöglichen, mit bis zu 280 kW an der Schellladesäule aufzuladen und damit in maximal 15 Minuten von 20 auf 80 Prozent Ladestand zu kommen, sagt der Hersteller.

Natürlich muss sich dieser Wert noch in der Praxis beweisen, aber auf dem Papier kann sich der G6 mit dem Porsche Taycan oder sogar dem Lucid Air messen. An der Wallbox oder öffentlichen AC-Säule schafft der Chinese allerdings nur 11 kW. Hier wäre technisch mehr möglich, das Laden daheim dürfte ob der großen Batterien also einiges an Zeit in Anspruch nehmen.

Überraschend geräumiges Coupé

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Was über die optischen Qualitäten im Inneren zu sagen ist, gilt auch für das Äußere. Hier springt wenig Auffälliges ins Auge: Die schmalen Lichter sind schon vom G9 bekannt und schaffen immerhin einen gewissen Wiedererkennungswert, gleichzeitig aber fühlt man sich unweigerlich an den Konkurrenten Nio erinnert. Ansonsten passt die Gitterkonstruktion an der Unterseite nur bedingt zum sehr glatten Gesamtdesign. Man kann an dem schnittig-gefälligen Erscheinungsbild jedoch sicher auch seine Freude haben.

Positiv hervorzuheben ist, dass in dem 4,75 Meter langen SUV trotz seiner eher unpraktischen Coupé-Form reichlich Stauraum zur Verfügung steht. 571 Liter im Kofferraum sind solide, der BYD Seal U und der Audi Q4 e-tron haben zum Beispiel weniger.

Fahreindruck: Souverän, ohne zu brillieren

Die Motorauswahl ist, ähnlich wie das Angebot an Ausstattungsvarianten, übersichtlich. Kundinnen und Kunden können zwischen drei Konfigurationen wählen. Das Fahrzeug mit der kleineren Batterie kommt mit 190 kW/258 PS, die Long-Range-Variante (beide Hinterradantrieb) mit 210 kW/286 PS. Ein anderes Kaliber ist da die Allrad-Performance-Version, die satte 350 kW/476 PS anbietet.

Letztere garantiert ein sehr kraftvolles Fahrgefühl, im Nu hat man das 2-Tonnen-Gefährt auf Tempo gebracht. Die gute Geräuschdämmung sorgt auch bei hohen Geschwindigkeiten für angenehme Ruhe im Innenraum. Etwas gewöhnungsbedürftig ist das Lenkrad, das reichlich oval und groß wirkt und gerade beim Rangieren oft für ein etwas indirektes Lenkgefühl sorgt. Man kann sich jedoch leicht damit arrangieren, ebenso wie mit dem etwas zu straff geratenen Fahrwerk.

Am Ende wird man den Eindruck nicht los, dass das Performance-Modell im Grunde übermotorisiert ist. Die 200 km/h Höchstgeschwindigkeit sind für ein E-Auto zwar einerseits ungewöhnlich hoch, andererseits braucht man diese im Alltag aber sowieso nie, genauso wenig wie die vier Sekunden Beschleunigungszeit von 0 auf 100 km/h. Zudem verliert man im Vergleich zur Zweiradantrieb-Version mit großer Batterie auch noch 20 Kilometer Reichweite.

Assistenzsysteme für volle fünf Sterne

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Wie von einem Unternehmen mit dieser Software-Vergangenheit zu erwarten, bietet der G6 an Sensorik nahezu alles auf, was gerade auf dem Markt verfügbar ist. Zwölf Kameras und 17 Ultraschall- und Millimeterwellen-Radare sind verbaut und überwachen die nahe und weitere Umgebung des Fahrzeugs.

Kollisionswarner, Bremsassistent, Verkehrszeichenerkennung, Türöffnungswarner, Spurhalteassistent und vieles mehr liefert der G6 serienmäßig mit. Der adaptive Tempomat funktionierte bei der Testfahrt weitgehend ruckelfrei und flüssig. XPeng zielt mit all dieser Technik auf fünf Sterne bei EuroNCAP. Wegen der einwandfreien Tests des G9 und P7 ist davon auszugehen, dass ihnen das auch gelingen wird.

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XPeng G6: Unschlagbarer Preis

Das Gesamtpaket für XPengs Neuen ist also recht üppig. Die Ausstattung wird dem Premium-Anspruch definitiv gerecht. Mit der 800-Volt-Ladetechnik spielt der G6 in der Elite mit, und beim Fahren setzt der Chinese zwar keine eigenen Akzente, zeigt aber auch keinerlei Schwächen.

Vor allem vor dem Hintergrund, dass (bis auf eine Anhängerkupplung) jedes Modell voll ausgestattet ist, lässt der Preis aufhorchen: 43.600 Euro kostet die Version mit kleinem 66-kWh-Akku, für 4000 Euro mehr gibt es die größere Batterie, für die Allrad-Performance-Variante muss man 51.600 Euro hinlegen.

XPeng hat seinen G6 damit bemerkenswert günstig gemacht. Audi startet mit seinem Q4 e-tron bei 53.000 Euro, Škoda beim Enyaq Coupé bei über 51.000 Euro, und selbst für die Basisversion eines Ioniq 5 mit wesentlich kleinerer Batterie werden 44.000 Euro fällig.

Anders als Nio und Aiways setzt XPeng nicht nur auf den Online-Handel, um seine Fahrzeuge zu vertreiben, sondern auf ein klassisches Händlernetz. Das soll zusätzlich Vertrauen in die neue Marke schaffen. Jetzt schon soll es zwölf von ihnen geben, in zwei Jahren schon fünfmal so viele. Natürlich müssen diese Absichtserklärungen nichts bedeuten. Es scheint aber so, als wüssten die Verantwortlichen, welch lange Reise ihnen in Deutschland und Europa noch bevorsteht.

Technische Daten (Herstellerangaben)

XPeng G6 Standard Range (ab 08/24)XPeng G6 Long Range (ab 08/24)XPeng G6 Performance AWD (ab 08/24)

Motorart

Elektro

Elektro

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

190

210

350

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

258

286

476

Drehmoment (Systemleistung)

440 Nm

440 Nm

660 Nm

Antriebsart

Hinterrad

Hinterrad

Allrad

Beschleunigung 0-100km/h

6,9 s

6,7 s

4,1 s

Höchstgeschwindigkeit

200 km/h

200 km/h

200 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

435 km

570 km

550 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

0 g/km

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

17,5 kWh/100 km

17,5 kWh/100 km

17,9 kWh/100 km

Batteriekapazität (Netto) in kWh

66,0

87,5

87,5

Ladeleistung (kW)

AC:11,0 DC:215,0

AC:11,0 DC:280,0

AC:11,0 DC:280,0

Kofferraumvolumen normal

571 l

571 l

571 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

1.374 l

1.374 l

1.374 l

Leergewicht (EU)

2.025 kg

2.025 kg

2.120 kg

Zuladung

528 kg

528 kg

518 kg

Anhängelast ungebremst

750 kg

750 kg

750 kg

Anhängelast gebremst 12%

1.500 kg

1.500 kg

1.500 kg

Garantie (Fahrzeug)

7 Jahre oder 160.000 km

7 Jahre oder 160.000 km

7 Jahre oder 160.000 km

Länge x Breite x Höhe

4.753 mm x 1.920 mm x 1.650 mm

4.753 mm x 1.920 mm x 1.650 mm

4.753 mm x 1.920 mm x 1.650 mm

Grundpreis

43.600 Euro

47.600 Euro

51.600 Euro

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Name: Fredrick Kertzmann

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Job: Regional Design Producer

Hobby: Nordic skating, Lacemaking, Mountain biking, Rowing, Gardening, Water sports, role-playing games

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