Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel - DocCheck Flexikon (2024)

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Emrah Hircin

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Emrah Hircin, Dr. Frank Antwerpes + 13

von lateinisch: faba - Bohne
Synonyme: Favismus, G6PD-Mangel, G-6-PDH-Mangel
Englisch: Glucose-6-phosphate dehydrogenase deficiency, G6PD deficiency, favism

Inhaltsverzeichnis

  • 1 Definition
  • 2 Hintergrund
  • 3 Epidemiologie
  • 4 Genetik
  • 5 Pathophysiologie
  • 6 Klinik
    • 6.1 Neugeborenenikterus
    • 6.2 Akute hämolytische Anämie
  • 7 Diagnostik
    • 7.1 Klassifikation
  • 8 Differenzialdiagnostik
  • 9 Therapie
  • 10 Quellen
  • 11 Literatur

Definition

Der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, kurz G6PD-Mangel, ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die durch einen Mangel des Enzyms Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase zur rezidivierenden hämolytischen Anämie führt.

  • ICD-10-Code: D55.0

Hintergrund

Die alternative Namensgebung "Favismus" erklärt sich dadurch, dass die Krankheit erstmals im Zusammenhang mit dem Verzehr von Fava-Bohnen beobachtet wurde.

Epidemiologie

Der G6PD-Mangel kommt häufig in tropischen und subtropischen Ländern (Afrika, Südeuropa, mittlerer Osten, Südostasien und Ozeanien) vor. Vermutlich sind weltweit mindestens 400 Millionen Menschen Träger des mutierten Allels. Etwa 10% der männlichen afroamerikanischen Bevölkerung sind betroffen. Die Prävalenz des G6PD-Mangels in Deutschland beträgt unter einem Prozent.

Die hohe Allelfrequenz von ungefähr 20% in Malaria-Endemiegebieten erklärt sich durch den Selektionsvorteil, den heterozygote Anlageträger besitzen: Eine relative Resistenz gegenüber der sonst oft letal verlaufenden Infektion mit Plasmodium falciparum. Die Erreger können sich offenbar durch die Störung des Hexosemonophosphatwegs nicht ausreichend vermehren. Daher bleibt ein Ausbruch der Erkrankung aus. Der gleiche Effekt findet sich beispielsweise bei der Sichelzellanämie. Ironischerweise löst eine Malariatherapie mit Chloroquin bei vorliegendem G6PD-Mangel eine Hämolyse aus.

Genetik

Das G6PD-Gen hat eine Länge von ungefähr 18,5 kB und weist 13 Exons auf. Es befindet sich auf dem langen Arm des X-Chromosoms an Genlokus Xq28.

Ursache des G6PD-Mangels sind über 150 verschiedene Mutationen im G6PD-Gen. Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil um Missense- oder Nonsense-Mutationen. Die häufigen Varianten sind:

  • Defektvariante A: Restaktivität der G6PD von 5 bis 15% der Norm; kommt in der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA, in Westafrika und in Südeuropa vor
  • Mediterrane Defektvariante: Restaktivität auf unter 1% der Norm; insbesondere an den Küsten des Mittelmeeres, im mittleren Osten und in Indien
  • G6PD Vianchan und G6PD Mahidol: In Südostasien
  • G6PD Canton: In China
  • G6PD Union: Weltweit

Der genetische Defekt wird X-chromosomal-rezessiv vererbt, entsprechend erkranken Männer und hom*ozygot betroffene Frauen. Heterozygote Frauen besitzen sowohl betroffene als auch gesunde Klone von Erythrozyten und können gesund oder krank sein (genetisches Mosaik).

Pathophysiologie

Oxidative Stoffe bewirken im Körper unter anderem die Bildung von Wasserstoffperoxid. Unter Oxidation von Glutathion vermittelt die Glutathion-Peroxidase die Überführung von Wasserstoffperoxid in Wasser. Um oxidiertes Glutathion wieder in die antioxidativ wirksame, reduzierte Form umzuwandeln, benötigt das Enzym Glutathionreduktase das Coenzym NADPH.

NADPH wird in den Erythrozyten durch Glycolyse produziert. 90 bis 95% der Glucose wird zur Herstellung von ATP verbraucht, die restlichen 5 bis 10% zur Bildung von NADPH auf dem Hexosemonophosphatweg (Pentosephosphat-Zyklus). Dabei wandelt das Enzym Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase Glucose-6-phosphat und NADP+ zu 6-Phosphogluconolacton und NADPH um.

Da die Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase in Erythrozyten die einzige Quelle für NADPH darstellt, führt eine verminderte Enzymaktivität zu einem fehlenden Schutz der Erythrozyten gegenüber oxidativem Stress. Entsprechend können Peroxidasen ungehindert die Erythrozytenmembran und die SH-Gruppen von Proteinen angreifen.

Weiterhin benötigt die Methämoglobin-Reduktase NADPH zur Reduktion von Fe3+ zu Fe2+. Entsprechend kann ein G6PD-Mangel unter bestimmten Situationen zur Methämoglobinämie führen.

Klinik

Träger eines G6PD-Mangels sind meist asymptomatisch, besitzen jedoch ein erhöhtes Risiko für einen Neugeborenenikterus und für eine akute hämolytische Anämie, die durch bestimmte oxidative Substanzen ausgelöst wird.

Neugeborenenikterus

Der Neugeborenenikterus auf Grundlage eines G6PD-Mangels zeigt sich meist erst am zweiten oder dritten Lebenstag. Die häufig nur geringe Anämie kann jedoch im Rahmen von Infektionen, in Zusammenhang mit bestimmten Umweltfaktoren (z.B. Naphthalin) oder bei Koexistenz des Gilbert-Meulengracht-Syndroms schwere Formen annehmen. In diesen Fällen kann ein Kernikterus mit permanenten neurologischen Schäden entstehen.

Akute hämolytische Anämie

Eine akute hämolytische Anämie kann beim G6PD-Mangel durch verschiedene Situationen ausgelöst werden:

  • Genuss von bestimmten Nahrungsmitteln: Saubohnen (Favabohnen), Erbsen, Johannisbeeren oder Lebensmittelfarbstoffen[1]
  • Infektionen
  • metabolische Azidose
  • Einnahme von bestimmten Medikamenten:
    • Malariamittel: Primaquin, Chloroquin
    • Sulfonamide: Sulfamethoxazol, Sulfasalazin
    • Antibiotika: Cotrimoxazol, Nitrofurantoin, Ciprofloxacin
    • ASS (vor allem hochdosiert)
    • nicht-saure Analgetika: Metamizol, Paracetamol
    • Rasburicase
    • Naphthalin, Anilinderivate
    • Ascorbinsäure (> 1 g)
    • Vitamin-K-Analoga

Im Schub können Fieber, Schüttelfrost, Rücken- und Bauchschmerzen, Schwäche und Schock auftreten. Um der Hämolyse entgegenzuwirken, werden in verstärktem Maß Retikulozyten in das Blut abgegeben, deren Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase bei hemizygoten und heterozygoten Personen mit der Defektvariante A noch Restaktivität zeigt, sodass die Krise überwunden werden kann. Bei Erkrankten mit der mediterranen Defektvariante dagegen ist der Mangel an funktionsfähigem Enzym in der Regel viel stärker ausgeprägt, sodass es unter Umständen zu einer Hämoglobinurie und einem akuten Nierenversagen kommt.

Diagnostik

Die Anämie ist meist normochrom und normozytär. Als Zeichen einer extravasalen Hämolyse sind LDH, Retikulozyten und indirektes Bilirubin erhöht. Aufgrund einer zumindest teilweisen intravasalen Hämolyse zeigt sich eine Hämoglobinurie und ein vermindertes Haptoglobin.

Im Blutausstrich finden sich Sphärozyten sowie eine Anisozytose und Polychromasie. Weiterhin tauchen in der Supravitalfärbung Heinz-Körper auf.

Die definitive Diagnose gelingt mit einer quantitativen Testung der Enzymaktivität oder durch eine molekulargenetische Untersuchung.

Klassifikation

Die WHO klassifiziert den G6PD-Mangel nach der relativen Enzymaktivität von G6PD in den Erythrozyten:

WHORelative Enzymaktivität (in% normal)Klinik
1vermindertchronische hämolytische Anämie
2< 10%schwerer G6PD-Mangel
310–60%mäßiger G6PD-Mangel
4normale Aktivität (60–100%)kein G6PD-Mangel
5gesteigerte Aktivität (> 110%)kein G6PD-Mangel

Differenzialdiagnostik

Ein G6PD-Mangel ist insbesondere gegenüber Hämoglobinopathien, der hereditären Sphärozytose, autoimmunhämolytischen Anämien und der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie abzugrenzen.

Therapie

Eine kausale Therapie gibt es derzeit (2023) nicht. Die Behandlung besteht daher in der Vermeidung der oben genannten Auslöser. Die Lebenserwartung unterscheidet sich dann nicht von gesunden Menschen.

Zur Behandlung einer akuten hämolytischen Krise bei G6PD-Mangel wird in Einzelfällen Haptoglobin eingesetzt, wobei der therapeutische Effekt umstritten ist. Im Gegensatz zur hereditären Sphärozytose besteht kein Hinweis auf einen selektiven Zelluntergang in der Milz. Dennoch kann die Splenektomie in der Praxis bei schweren Verläufen vorteilhaft sein.

Literatur

  • Haptoglobin zur Behandlung der akuten hämolytischen Krise
  • Suttorp N. et al., Harrisons Innere Medizin, Hrsg. 19. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2016
  • Herold, G.: Innere Medizin 2019. Köln: Gerd Herold, 2018

Stichworte: Anämie, D55, Erbkrankheit, GK2, Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase, Stoffwechselerkrankung

Fachgebiete: Innere Medizin

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Bearbeitet von Dr. No am 21.03.2024 Geprüft von DocCheck

Letzter Edit: 21.03.2024, 09:10

Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel - DocCheck Flexikon (2024)

FAQs

What is glucose 6 phosphate dehydrogenase blood test? ›

What is a G6PD test? This test measures the amount of G6PD in the blood. G6PD stands for glucose-6-phosphate dehydrogenase, an enzyme that helps red blood cells work properly. Red blood cells move oxygen from your lungs to every cell in your body. Your cells need oxygen to grow, reproduce, and stay healthy.

What is the disease that causes glucose 6 phosphate dehydrogenase? ›

G6PD deficiency is when the body is missing or doesn't have enough of an enzyme called G6PD (glucose-6-phosphate dehydrogenase). This enzyme helps red blood cells work correctly. A lack of this enzyme can cause hemolytic anemia. This is when the red blood cells break down faster than they normally would.

What is the significance of glucose 6 phosphate dehydrogenase? ›

Glucose-6-phosphate dehydrogenase (G6PD) is an enzyme found in the cytoplasm of all cells in the body. It is a housekeeping enzyme that plays a vital role in preventing cellular damage from reactive oxygen species (ROS). It does this by providing substrates to prevent oxidative damage.

What are the triggers for glucose 6 phosphate dehydrogenase? ›

According to some researchers, eating fava beans is the most common trigger. Other common triggers are: Infections such as hepatitis A and hepatitis B, typhoid fever and pneumonia. Certain drugs that treat malaria, including primaquine.

What is a normal G6PD level for adults? ›

A normal test result tells your healthcare provider about G6PD activity in your blood cells. A normal—or no G6PDD—result for adults is 8.6 to 18.6 units/gram of hemoglobin. Less than 10% of normal means that you have severe deficiency and chronic hemolytic anemia.

What does it mean when your G6PD is high? ›

What does it mean if your G6PD result is too high? - Levels of G6PD are higher in the newborn than they are in the adult. - When high levels are seen in older patients, it invariably reflects the presence of a young red blood cell population with reticulocytosis.

How do you treat glucose-6-phosphate dehydrogenase deficiency? ›

Treating G6PD deficiency symptoms is usually as simple as removing the trigger. Often, this means treating the infection or stopping the use of a drug. A child with severe anemia may need treatment in the hospital to get oxygen and fluids. Sometimes, a child also needs a transfusion of healthy blood cells.

What foods trigger G6PD? ›

Soy, Peanuts, Peas, Fenugreek and other legumes have also been noted as possible triggers. Artificial food dyes found in processed foods are listed as a harmful G6PDd trigger. Bitter (Gourd-melon) also contains vicine which is believed to be the hemolytic agent found in the Fava Bean.

Is G6PD life threatening? ›

Hemolytic anemia is the most common life-threatening manifestation of G6PD deficiency. In a typical course, patients present with findings of jaundice, fatigue, back pain, tachypnea, and tachycardia.

How common is glucose-6-phosphate dehydrogenase? ›

An estimated 400 million people worldwide have glucose-6-phosphate dehydrogenase deficiency. This condition occurs most frequently in certain parts of Africa, Asia, the Mediterranean, and the Middle East. It affects about 1 in 10 African American males in the United States.

Is coffee bad for G6PD? ›

Caffeine Directly Interacts With G6PDH and Decreases Its Coenzyme and Substrate Binding Affinities.

Is G6PD a disability? ›

The medical evidence of record shows that the veteran's G6PD deficiency is considered a congenital defect, and not a disease, or disability; thus, service connection for it is not allowable by law, and therefore the question of whether the veteran should be presumed to be of sound health upon entering active service ...

What drug causes glucose 6 phosphate dehydrogenase deficiency? ›

This is because the body continues to produce new red blood cells, which have normal G6PD activity. Red blood cell destruction can be triggered by infections, certain foods (such as fava beans), and certain medicines, including: Antimalarial medicines such as quinine. Aspirin (high doses)

Can females have G6PD deficiency? ›

G6PD deficiency is an X-linked recessive disorder, with an inheritance pattern similar to that of hemophilia and color blindness: males usually manifest the abnormality and females are carriers. Females may be symptomatic if they are hom*ozygous or if inactivation of their normal X chromosome occurs.

Does G6PD go away? ›

The condition is more common in males and is usually passed on to male children from their mother, even though she probably had no symptoms herself. G6PD cannot be spread from one person to another. There is no cure for G6PD deficiency, and it is a lifelong condition.

What happens if glucose-6-phosphate dehydrogenase is defective? ›

Glucose-6-phosphate dehydrogenase deficiency is a genetic disorder that affects red blood cells, which carry oxygen from the lungs to tissues throughout the body. In affected individuals, a defect in an enzyme called glucose-6-phosphate dehydrogenase causes red blood cells to break down prematurely.

What is glucose-6-phosphate dehydrogenase screening test? ›

A G6PD test is a blood draw to check levels of glucose-6-phosphate dehydrogenase. G6PD is an enzyme that helps your red blood cells function correctly. Low G6PD can lead to a condition called hemolytic anemia. You may need a G6PD test if you have symptoms of hemolytic anemia.

What foods should you avoid if you have G6PD? ›

Soy, Peanuts, Peas, Fenugreek and other legumes have also been noted as possible triggers. Artificial food dyes found in processed foods are listed as a harmful G6PDd trigger. Bitter (Gourd-melon) also contains vicine which is believed to be the hemolytic agent found in the Fava Bean.

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